So lernt dein Hirn, was du willst

Alles zur Betreutes Fühlen-Folge

Ständig Neues zu lernen, umzulernen und auch zu verlernen, das ist überlebensnotwendig für den Menschen. Das wussten schon die alten Griechen. Die Psychologie erforscht seit Jahren, wie wir Wissen speichern. Es gibt tausende Lerntipps. Leider, sind manche davon totaler Quatsch – Stichwort Lerntypen. Was sich für‘s Lernen wirklich lohnt, ist ein Blick in unseren Kopf. Wir sprechen über Plastizität, warum Fehler machen so wichtig beim Lernen ist, wie Blinde mit den Ohren »sehen« und wann Antidepressiva einen Lernboost geben können.


Lerntypen sind quatsch

Die Unterscheidung in vier Lerntypen ist sehr populär: auditiver, visueller, motorischer und kommunikativer Lerntyp. Die Forschung zeigt, wir Menschen haben unterschiedlich ausgeprägte Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmuster. Genauso zeigen Untersuchungen aber auch: Derzeit gibt es keine empirische Evidenz für das Konzept der Lerntypologie. [1]

Dennoch glauben viele an den Mythos der Lerntypen. In einer amerikanischen glauben 71 Prozent der befragten Pädagog:innen und 88 Prozent der Allgemeinheit daran. [2]

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Eine kurze Geschichte der Lerntheorien

Bereits seit über 2000 Jahren versucht man, das Lernen zu verstehen. Bereits alte Philosophen wie Platon und Aristoteles haben sich damit beschäftigt. Im 20. Jahrhundert begann sich die Psychologie fürs Lernen zu interessieren und entwickelten unterschiedliche Theorien. Eine davon war zum Beispiel das Konzept der Zone der proximalen Entwicklung (zone of proximal development) vom russischen Wissenschaftler Vygotsky.

Einen ausführlicheren Überblick zur Geschichte der Lerntheorie findest Du hier. [3]

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Plastizität – das passiert beim Lernen im Kopf

Unser Hirn passt sich extrem an die Umstände an. Fällt beispielsweise einer unserer Sinne weg, wie das Sehen, kompensiert unser Nervensystem und gleicht den fehlenden Input aus. [4] Das nennen wir in der Wissenschaft Plastizität. Diese Formbarkeit unseres Gehirns ist die Grundlage des Lernens. [5]


Lernen und Depression

Bei Depressionen werden oft sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer verschrieben. Was den meisten unter Antidepressiva bekannt ist, soll die Symptome von Depressionen lindern, indem sie die Konzentration des Botenstoffs Serotonin im Gehirn erhöhen. Dass das allerdings nicht so leicht funktioniert, beschreibt ein toller Zeit-Artikel.

Antidepressiva bzw. eine erhöhte Serotoninkonzentration können dem depressiven Hirn beim Lernen helfen, so eine Studie der Universität Wien. [6] 


Besser Lernen mit unserem Nervensystem

Wie wir mit Hilfe unseres Nervensystems besser lernen können zeigt uns Dr. Andrew Hubermann. Er ist Neurowissenschaftler und ordentlicher Professor in der Abteilung für Neurobiologie an der Stanford University School of Medicine. Außerdem betreibt er einen sehr erfolgreichen Podcast, den »Huberman Lab Podcast«.

Er sagt, wir lernen durch Fehler. Fehler, die nicht mit dem übereinstimmen, was wir gerne tun würden, sind die Art und Weise, wie unser Nervensystem durch sehr unterschiedliche biologische Mechanismen darauf aufmerksam gemacht wird, dass etwas nicht richtig läuft. [7] Dabei ist außerdem wichtig, die Schritte des Lernens zu verkleinern. Inkrementelles Lernen nennt Huberman das.

Wichtig für’s Lernen ist zudem laut Hubermann, dass wir positiv überrascht werden. Dazu passt das Rescorla-Wagner-Modell. Dies besagt, Lernen findet statt, solange wir über das eintretende Ereignis überrascht sind. [8]

David Huberman fasst sein Wissen, wie wir unser Nervensystem und Plastizität für unsere Lernerfahrungen nutzen können zusammen in seinem »Neuroplasticity Super Protocol«


QUELLEN

[1] Cuevas, J. (2015). Is learning styles-based instruction effective? A comprehensive analysis of recent research on learning styles. Theory and Research in Education, 13(3), 308-333.

Pashler, H., McDaniel, M., Rohrer, D., & Bjork, R. (2008). Learning styles: Concepts and evidence. Psychological science in the public interest, 9(3), 105-119.

Schäfer, E. (2017). Lebenslanges Lernen. Springer Berlin Heidelberg. 

[2] Macdonald, K., Germine, L., Anderson, A., Christodoulou, J., & McGrath, L. M. (2017). Dispelling the myth: Training in education or neuroscience decreases but does not eliminate beliefs in neuromyths. Frontiers in psychology, 8, 1314.

[3] Austin, K., Orcutt, S., & Rosso, J. (2001). How people learn: Introduction to learning theories. The learning classroom: Theory into practice–a telecourse for teacher education and professional development.

[4] Kupferberg, A. (2019). Blinde „sehen“ mit den Ohren, Taube „hören“ mit den Augen. Linkedin.

Wie gut Blinde mit den Ohren sehen. (2018). Spiegel. 

[5]  Plastizität. Dorsch – Lexikon der Psychologie.

[6] Reed MB, Vanicek T, Seiger R, et al.: Neuroplastic effects of a selective serotonin reuptake inhibitor in relearning and retrieval, in: NeuroImage 2021. 

[7] Using Failures, Movement & Balance to Learn Faster | Huberman Lab Podcast #7

[8] Lernen, Lernforschung. Dorsch – Lexikon der Psychologie.

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